Janna Krone, 13.02.2025
"Your body my choice", tönte es zynisch nach der Wahl Trumps im letzten Jahr. Frauenrechte, Feminismus, aber vor allem Frauen selbst und Menschen aus der LGBTQ+-Community sind wieder stark bedroht durch einen patriarchalen Backlash. Und die Frauen ... sie sind wütend, wie sich auch im Horrorgenre zeigt. Janna Krone erklärt uns warum.
Es ist 2025 und es gibt viele Gründe, wütend zu sein. Klimawandel, Rechtsruck, wachsende soziale Ungerechtigkeit, zerbröselnde Infrastruktur, you name it. Innerhalb dieses frustrierenden Konglomerats an Missständen gibt es jedoch eine Reihe an Wutauslösern, die primär eine Gruppe von Menschen betrifft, nämlich Frauen und Mädchen. In Frankreich wurden Dutzende Männer überführt, eine unter Drogen gesetzte Frau vergewaltigt zu haben. In Deutschland deckten Journalist*innen auf, dass zigtausende Männer in Telegram-Gruppen darüber fantasieren, ihnen bekannte Frauen zu betäuben und zu missbrauchen, sich gegenseitig in diesen Gewaltfantasien bestätigen, sich untereinander dabei helfen, diese in die Tat umzusetzen und die in Bild und Video festgehaltenen Vergewaltigungen bejubeln. In sozialen Medien züchten Influencer eine neue Generation von Männern heran, deren Frauenbild man selbst in den 50ern als verstörend betrachtet hätte. Und diese Liste ließe sich problemlos seitenweise fortführen.
Natürlich ist all dies nichts neues. Misogynie ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Neu ist die Aufmerksamkeit, die diese Missstände durch die Möglichkeiten des Internets und insbesondere der sozialen Medien bekommen. Seit #metoo als Initialzündung finden die Erzählungen über Frauenfeindlichkeit, Übergriffe, Sexismus und patriarchale Strukturen nicht mehr alle paar Wochen irgendwo im hinteren Bereich des SPIEGEL statt, sondern überall in den sozialen Medien. Man muss keine feministische Zeitschrift kaufen, um mitzubekommen, dass auch andere Frauen und Mädchen Erfahrungen mit patriarchaler Gewalt haben. Sofern man nicht völlig den Kopf in den Sand steckt, reichen zehn Minuten auf Instagram oder Bluesky.
Und diese neue Präsenz der Erzählungen über Gewalt hat Folgen. Wer täglich erfährt, wie viele Frauen und Mädchen Opfer werden, der wird – sofern nicht sofort Verleugnungsstrategien aufgefahren werden – ängstlich, frustriert oder – und das ist das Thema dieses Textes – wütend. Wütend über eine Welt, in der Gleichberechtigung nominell existiert, aber in der Praxis immer noch nicht erreicht ist, über heuchlerische Doppelstandards, über Männernetzwerke, die im Hintergrund weiter ihre gewalttätigen Spiele spielen.
Diese Wut findet natürlich auch ihren Niederschlag in Texten. So werden sexuelle Gewalt und Missbrauchsstrukturen in zahlreichen Filmen und Büchern der letzten Jahre aufgegriffen, etwa in Promising Young Woman (2020) und She Said (2022) und selbst Barbie darf im gleichnamigen Film gegen das Patriarchat in Form des Kendoms erfolgreich ankämpfen.
Insbesondere das Horrorgenre war schon immer in der Lage, gesellschaftliche Konflikte in teils eindeutiger, teils metaphorischer Art und Weise darzustellen und zu verarbeiten. Im Gegensatz zu vielen Mainstream-Texten ist hier die Freiheit größer, auch extreme Darstellungsweisen zu wählen, da das Publikum zu verstören hier nicht unbedingt ein Bug sondern oft sogar ein Feature ist. Und so kann im Schutzraum des Genres das gezeigt werden, was in anderen Texten sonst dezent ausgeblendet wird, wie etwa extreme Gewalt, Bodyhorror oder zutiefst gestörte Persönlichkeiten. Dazu kommt die lange Tradition weiblicher Protagonistinnen in diesem Genre. Sei es die unschuldige, naive Protagonistin der Gothic-Tradition von Mina in Dracula bis hin zur Ich-Erzählerin in Rebecca, seien es all die tapferen Final Girls in den Slashern, die Racheengel aus dem Subgenre des Rape and Revenge, oder die sensiblen, verängstigen Frauen in den Spukhäusern Europas und Amerikas. Es ist also kein Wunder, dass besonders im Horror momentan Wut und Frustration von Frauen über gesellschaftliche Missstände und Sexismus einen deutlichen Niederschlag finden, und auf ganz unterschiedliche Weisen verhandelt werden.
In den vergangenen Jahren gab es eine Vielzahl von Romanen und Filmen, in denen Protagonistinnen ihre Wut ausleben konnten, sei es durch mörderische Gewaltexzesse, verstörende Körpertransformationen oder die völlige Abkehr von der Gesellschaft und ihren Werten. Zwar ist die aktiv Gewalt ausübende Protagonistin im Horror nicht neu, so basiert nahezu das gesamte Subgenre der Rape and Revenge darauf, doch neu ist, dass der Zorn sich meist nicht gegen einzelne Täter richtet, sondern ganze Strukturen das Problem darstellen. Es reicht nicht mehr, die einzelnen Schurken zu richten, diese Protagonistinnen müssen gegen die Welt antreten. Dazu kommt eine andere Haltung, die die Texte selbst gegenüber den Frauen einnehmen. Ihre Wut wird ernst genommen und selbst wenn sie, wie einige Frauen in den im folgenden erwähnten Texten, sehr unsympathisch, egoistisch und teils narzisstisch sind, wird ihnen – und damit auch den Leser*innen – dieser Exzess gegönnt. Die Katharsis, eine Figur nach ihren niedersten Instinkten handeln zu sehen, die man im tiefsten Inneren vielleicht doch teilt oder nachvollziehen kann, wird damit auch für Frauen nutzbar, von denen heute immer noch oft genug Zurückhaltung, Freundlichkeit und Selbstlosigkeit erwartet wird. Es ist ein Modus des Umgangs und der Haltung gegenüber den Protagonistinnen, die diese Texte einnehmen, eine Solidarisierung mit den wütenden Frauen, ein Zulassen des Wutexzesses, der früher Männern vorbehalten war.
Aber betrachten wir einfach mal einige Beispiele.