David Lynchs die Rückkehr der Jedi-Ritter und Dune als Oper
The Elephant Man erschien 1980, Dune 1984. Irgendwann dazwischen ist der Moment, an dem sich, wenn man an das Konzept das Multiversums glaubt, die Geschichte verzweigte und mehrere Parallel-Universen entstanden sind. In einem dieser Universen übernimmt Lynch die Regie von Return of the Jedi, landet damit einen ähnlichen Misserfolg wie mit Dune und würgt damit die Star-Wars-Reihe ab. In einem anderen wird dagegen die Wüstenplanet-Saga ein riesiger Erfolg, der mehrere Sequels nach sich zieht. Lynch steigt zum Blockbuster-Spezialisten auf und wird fortan in einem Atemzug mit Kollegen wie James Cameron oder Steven Spielberg genannt.
Wir leben, und das ist unser Glück, in keinem dieser Universen. Es ist – ein kurzer Blick auf die aktuelle Weltpolitik macht das schmerzhaft deutlich – sicher nicht die beste aller möglichen Welten, aber es ist zumindest die Welt, in der Lynch Blue Velvet und Twin Peaks gedreht hat.
Es wurde schon viel – zu viel – zu Lynch geschrieben, aber was mich an seinem Werk am meisten fasziniert und auch gut zu einem Nachruf auf einer Website wie Tor Online passt, ist sein Verhältnis zum Genrekino. Obwohl Lynchs Œuvre in der Regel aus anderen Blickwinkeln analysiert wird – von der Psychoanalyse bis zur Transzendentalen Meditation ist hier alles im Angebot –, kann man es auch als ein konstantes Ringen mit den Regeln des Genrekinos verstehen.
Der SF-Forscher Istvan Csicsery-Ronay hat einmal die interessante These aufgestellt, dass Dune auf einem großen Missverständnis beruhe. Dass Lynch, wie es das zitierte Statement nahelegt, tatsächlich keine tiefergehende Affinität zu SF besitze und sich Dune denn auch nicht an typischen Genrevertretern wie Star Trek oder Star Wars orientiere, sondern der Oper und vor allem dem Stummfilm deutlich näherstehe.
Unabhängig davon, ob man ihm zustimmt oder nicht – worauf Csicsery-Ronay aufmerksam macht, ist, dass die Frage, wie man Lynchs Filme versteht, sehr oft eine des Bezugssystems, eben des Genres ist. Als „normaler“ Abenteuerfilm, der einen mit seinem spannenden Plot mitreißt, funktioniert Dune zweifellos nicht. Und seine Ästhetik steht nicht in der Tradition des SF-typischen Realismus, der darauf abzielt, die technischen Neuerungen als plausibel erscheinen zu lassen, sondern ist stark vom Surrealismus beeinflusst, der diesem Ansatz vollkommen entgegensteht. Schaut man den Film dagegen als opernhaftes Epos, bei dem Handlung und Dialog Nebensache, Dekor und Gestus dagegen alles sind, wird er zwar nicht zum Meisterwerk, wirkt aber deutlich stimmiger.
Was bei Dune noch nicht funktionierte, eine produktive Reibung mit den Genreregeln, sollte in der Folge zu Lynchs unbestrittenen Meisterwerken führen – Blue Velvet, Wild at Heart und natürlich vor allem Twin Peaks.