Otherland, 09.04.2025
Regelmäßig gibt euch das Team der Berliner Fantasy- und Science-Fiction-Buchhandlung Otherland Tipps zu den interessantesten neuen Büchern aller Verlage.
Lyneham | Nils Westerboer
Klett Cotta: €18
Endlich. Ein neuer Westerboer. Nicht nur, weil ich endlich mal wieder was Neues von Nils lesen will, sondern weil ich auf die ständigen Fragen unserer Otherland-Kunden "Wann gibts denn mal was Neues von dem Athos..." mit einem schlichten "hier" beantworten will :)
Lyneham ist anders als Athos 2643 und gleichzeitig ein echter Westerboer mit klugen Twists, in einem fremdartigen Setup das er wie die Kulissen einer Theaterbühne vor dem Leser aufbaut, ohne immer alles bis ins kleinste Detail erklären zu müssen. Wie schon bei Athos 2643 ist Nils' Spracheinsatz ein Genuss. Mancher Satz sprintet beim Lesen voran um dann unvermittelt stehen zu bleiben, um dem Leser mitten ins Gesicht zu springen. Lyneham wirkt persönlicher, ohne intim zu sein. Wir sind ganz nahe an der Geschichte und den Menschen dran, nur um immer wieder auf uns selbst zurückgeworfen zu werden: So, was denkt ihr dazu?
Lyneham startet unvermittelt mit der Ankunft der Familie Meadow auf Perm. Die Geschichte wird von Henry erzählt, der zusammen mit Bruder, Schwester und Vater die sterbende Erde verlassen hat, um die menschliche Kolonie auf Perm zu erreichen. Kaum aus dem Stasisschlaf erwacht, müssen sie ums Überleben kämpfen und finden sich in einer Welt wieder, die fremder und menschfeindlicher nicht sein kann.
Von Anfang an hat man als Leser das Gefühl, wie mit einer GoPro-Kamera ganz dicht live dabei zu sein und während man gerade verstanden hat, was vor einem steht, erhebt sich dahinter ein neuer Schatten, der größer erscheint als der vorherige - Geschichten in Geschichten, Geheimnisse in Geheimnissen und Intrigen in Intrigen, die so geschickt erzählt sind, dass man sie erst erkennt, wenn man spinnennetzgleich schon eingewickelt ist.
Lyneham ist die Geschichte einer Familie, der Grenzen des Menschlichen, des Beginns des Fremden und dem Ende der Menschlichkeit vor dem Hintergrund der kosmischen Unendlichkeit. Eine Reise, die fremdartiger nicht sein könnte und die dennoch jeder von uns täglich im Leben antritt.
Wahnsinnsbuch.
[Wolf]
Mal goes to War | Edward Ashton
Heyne: €17
Murderbot, aber pupertär.
Mal Goes to War ist das neue vom Mickey 7-Autor und ähnlich wie Mickey 7 ist es ein Jungs-Buch mit Scherzen, die an Beavis and Butt-Head und Jackass erinnern.
Die Geschichte ist schnell erzählt: irgendwo ist Krieg (wo und wer ist eigentlich völlig egal) und die KIs in ihrer Wolke halten sich raus. Bis auf Mal. Mal übernimmt gern Drohnen oder andere leicht hackbare Digitalien und beobachtet, was die Menschen so machen. Bei einem dieser Streifzüge befindet er sich in einer Drohne, die abstürzt während quasi gleichzeitig alle Funktürme, die Mal einen Rückzug in die Wolke ermöglicht hätten, gesprengt werden. Mal sitzt fest und es bleibt ihm nichts anderes übrig als von Netzwerk zu Netzwerk zu springen. Dazu gehören auch Menschen mit elektronischen Updates, die er entweder komplett übernimmt oder sich den Körper mit ihnen teilt. Mal eine tote Goth-Söldnerin oder ein Typ, der seinen Körper aufgerüstet hat, um Pornos immersiv zu erleben.
Das ist mitunter kurzweilig, die Dialoge zwischen Mal und Wirtskörper sind lustig, aber irgendwie funktioniert das als Geschichte nicht - bei aller Ideenähnlichkeit zu Martha Wells nonbinärem Murderbot, der sich über die Menschen wundert, ist Mal von vorneherein wie ein pubertierender Junge, der keine Peilung hat und Blödsinn macht. Wer eine leichte Lektüre im Stil von Mikey 7 sucht, wird hier seinen Spaß haben. Nicht mehr und nicht weniger.
[Wolf]