Science Fiction

Künstliche Intelligenz in der Science-Fiction: Ein Blick in die Zukunft?

Coverausschnitt des Romans »Accelerando«. Eine futuristische Stadt in grau-Blau, mit Hochhäusern, fliegenden Autos, durchsichtigen Verbindungsröhren zwischen den Häusern und Schienenbahnen.
© Heyne

Larissa Haas, 10.04.2025

Künstliche Intelligenz ist ein Lieblingsthema der Science Fiction. Aber wie wird sie dargestellt und wie verändert sich die Darstellung im Laufe der Zeit? Ein Essay von Larissa Haas.

Egal ob HAL aus “2001: Odyssee im Weltall”, Sonny aus “I, Robot” oder die Replicants aus “Blade Runner” - Künstliche Intelligenzen und Roboter sind beliebte Motive in der Science Fiction. In Filmen, Romanen, Novellen und Kurzgeschichten begleiten wir ihre Entstehung, fürchten ihre Dominanz und kämpfen gegen ihren Einfluss. Oftmals ist es ein schmaler Grat: Einerseits fühlen wir mit ihnen, weil sie uns so ähnlich scheinen - sie können sprechen, sich bewegen, sehen oft sehr menschlich aus - gleichzeitig sind sie uns zu menschlich. Wir fürchten, mit ihnen verwechselt und von ihnen ersetzt zu werden.

Science Fiction beschäftigt sich nicht erst seit gestern mit dem Thema Künstliche Intelligenz. Bereits in der Antike sinnierten Autor:innen über das Wesen von menschengemachten “Androiden” und sahen es als Hybris an, wenn ein Mensch versuchte, sich durch diesen Akt der Schöpfung auf dieselbe Stufe wie die Götter zu erheben. Mit Mary Shelleys Roman “Frankenstein”, der als der erste SF Roman gelten könnte, wird im alternativen Titel “The modern Prometheus” der Bezug zu diesen antiken Geschichten hergestellt. Schon hier wird das Motiv des Kampfes “Schöpfer gegen Schöpfung” aufgezeigt und heißt seitdem nicht umsonst “Frankenstein-Komplex”. Über Karel Čapek, der zum ersten Mal von “Robotern” schrieb, über “Metropolis” von Thea von Harbou, wo die schöne Maria alle bezaubert, bis hin zu den heute noch prominenten Geschichten von Isaac Asimov und Arthur C. Clarke, mit der bekannten KI HAL, wurde unser Bild bereits früh geprägt.

In einer Auswahl von 44 unterschiedlichsten Science-Fiction-Romanen und Novellen mit insgesamt 58 verschiedenen KIs, erschienen in den Jahren von 1954 bis 2018, konnte ich in meiner Masterarbeit klare Tendenzen feststellen, wie Künstliche Intelligenzen seitdem dargestellt werden. Dies sagt einiges über uns als Gesellschaft, über unsere Vorstellung von Technik und unseren Blick in die Zukunft aus. Denn oftmals wirkt SF wie ein Spiegel, in dem man sich selbst, aber auch die Zukunft sieht. Gleichzeitig lassen sich Forschende und Visionäre von den Geschichten inspirieren und beeinflussen, was zu einer engen Verzahnung von Fiktion und technischer Entwicklung führt. Es lohnt sich, einen Blick auf die Fiktion zu werfen, um vorauszuahnen, wohin die technische Entwicklung führen könnte.

Männliche Dominanz in der KI-Welt?

Beginnen wir mit der Hypothese der “male normativity”, also der Annahme, dass Männlichkeit als Standard gilt und Weiblichkeit als Ausnahme von diesem Standard angesehen wird. Wird zu einer Figur nichts weiter erwähnt, das auf das Geschlecht dieser Figur hindeutet, wird sie öfter als männlich gelesen denn als weiblich. Diese Hypothese konnte in meinen Analysen auf jeden Fall bestätigt werden: 23 von 58 KIs wurden als männlich beschrieben, 19 als neutral (ohne Geschlecht oder es wurde nicht erwähnt), 11 als weiblich und 5 als divers (z.B. nicht-binär). Interessanterweise gab es keine Geschichte, in der ein drittes Geschlecht oder ein einzigartiger Fall für das Geschlecht von KIs eingeführt wurde.

Allerdings lässt sich ein Wandel im Laufe der Zeit beobachten. Auch wenn manche der frühesten beschriebenen KIs in meinem Datensatz ab und zu weiblich dargestellt wurden, oder einen femininen Namen hatten, war das Verhältnis von männlich zu weiblich dargestellten KIs in den letzten Jahren der Analyse nahezu ausgeglichen. Hier ist jedoch zu erwähnen, dass die Geschlechtszuschreibungen (über Pronomen und Namensgebung) vor allem von außen, also durch die Menschen in der Geschichte, vorgenommen wurden. Kaum eine KI in den Geschichten hat sich selbst Pronomen oder einen Namen gegeben. Ausnahmen sind zum Beispiel Yod aus dem Roman “Body of Glass” von Marge Piercy (1991) oder Rupetta aus dem gleichnamigen Roman von N. A. Sulway von 2013.

Murderbot, die Hauptfigur aus Martha Wells’ “All Systems Red” (2017), ist ein weiterer interessanter Fall aus dieser Kategorie. Murderbot ist eine Sicherheits-KI, die ihr Kontrollmodul gehackt hat, um sich von der Kontrolle durch Menschen zu befreien. Interessanterweise wird Murderbot in der Geschichte weder als männlich noch als weiblich dargestellt. Murderbot hat keine Geschlechtsmerkmale und findet Sexszenen in Serien langweilig, da es keine "geschlechtsspezifischen" Bedürfnisse hat. Dadurch passt es nicht in die gängigen Stereotypen und untergräbt die Erwartung, dass KIs zwangsläufig einem Geschlecht zugeordnet werden müssen. Die Genderneutralität von Murderbot ist keine zufällige Entscheidung der Autorin, sondern ein zentraler Aspekt der Figurenentwicklung. Murderbot definiert sich über seine Unabhängigkeit und seinen Wunsch, sich von den Erwartungen und Zwängen der menschlichen Gesellschaft zu befreien. Dazu gehört auch die Ablehnung von Geschlechterstereotypen.

Sind KIs eine Bedrohung für die Menschheit?

Wie gefährlich ist KI? Streben alle Künstlichen Intelligenzen irgendwann nach der Weltherrschaft? Laut den Darstellungen in der Science Fiction ist das eher die Ausnahme als die Regel. Selbst der Frankenstein-Komplex hat über die Zeit an Bedeutung verloren. Nur 13 von 58 Künstliche Intelligenzen werden in den Geschichten als eindeutig gefährlich für Menschen im Allgemeinen eingestuft. Dies wurde anhand von vier Kriterien festgestellt: Rebellion der KI, Schädigung von Menschen, Streben nach mehr Kontrolle und Verfolgung der Weltherrschaft. Interessanterweise werden weibliche KIs seltener als gefährlich dargestellt als männliche oder geschlechtsneutrale KIs.

Es gibt aber auch Gegenbeispiele, wie Anaander aus “Ancillary Justice” (deutsch: “Die Maschinen”) von Ann Leckie (2013), oder Su-Yong Shu aus “Apex” von Ramez Naam (2015), die beide von anderen mit “sie” bezeichnet werden. Beide KIs verfügen in den Erzählungen über immense Macht und kämpfen gegen eine Version ihrer selbst. Die Spaltung von KIs mit großer Macht in mehrere Teile ihrer Selbst scheint ein wiederkehrendes Motiv in Science Fiction Geschichten zu sein. Insgesamt scheint die Bedrohung durch KIs zwar präsent, aber nicht so dominant wie erwartet.

KIs als Diener der Menschheit?

Sind also Künstliche Intelligenzen einfach nur hilfreiche Diener in einer perfekten Gesellschaft? Tatsächlich ist die Dienerrolle für KIs in Science-Fiction-Romanen nicht unüblich. 43 % der untersuchten KIs werden explizit als Diener dargestellt. Weitere 10 % der KIs befinden sich in einer Übergangsphase, in der sie sich von der Rolle des Dieners emanzipieren. Insgesamt lässt sich sagen, dass mehr als die Hälfte der KIs in den Geschichten irgendwann als Diener fungieren.

Diese Darstellung wird jedoch oft mit einer Emanzipationsgeschichte verbunden, in der sich die KI von ihrer Dienerrolle distanziert und sich mehr und mehr zu einer eigenständigen Persönlichkeit entwickelt. Ein interessantes Beispiel hierzu ist Aineko aus Charles Stross' Roman “Accelerando” (2005). Aineko ist eine künstliche Katze, deren Software im Laufe der Geschichte mehrmals aktualisiert wird. Durch diese Updates erlangt er schließlich Bewusstsein. Zu Beginn der Geschichte wird Aineko als einfaches Haustier wahrgenommen, doch nach und nach enthüllt der Roman seine wahren Fähigkeiten: Aineko analysiert gestohlene Daten von potenziellen Außerirdischen, manipuliert Familienmitglieder und offenbart schließlich, dass er die Familie über Generationen hinweg für seine eigenen Zwecke benutzt hat. Aineko startet also als scheinbar harmloser Diener und entpuppt sich im Laufe der Geschichte als gerissener Manipulator.

Wenn man zusätzlich zur Dienerrolle auch auf die Geschlechterrolle der KI schaut, stellt man interessanterweise fest, dass die Rolle des Dieners stärker mit weiblichen und neutral gelesenen KIs assoziiert wird als mit männlichen. 64 % der weiblichen KIs werden als Diener dargestellt, während es bei den männlichen KIs nur 43 % sind.

Verändert sich das Bild der KI im Laufe der Zeit?

In frühen Science-Fiction-Geschichten wurden KIs oft als abstrakte, stationäre "Blackboxes" dargestellt, ohne Einblick in ihre Funktionsweise oder Persönlichkeit. Beispiele hierfür sind Bossy aus “They’d Rather Be Right” von Mark Clifton und Frank Riley (1957) oder Mike aus “The Moon is a Harsh Mistress” von Robert A. Heinlein (1966). Mit der Weiterentwicklung der Computertechnologie und der zunehmenden Verbreitung von Robotern in der realen Welt veränderte sich auch die Darstellung von KIs in der Science-Fiction. KIs wurden körperlicher, mobiler und menschenähnlicher. Ein Beispiel hierfür ist Davy aus “The Female Man” von Joanna Russ (1975), die erste KI im Datensatz, die vollständig menschlich aussieht. In neueren Geschichten finden sich vermehrt KIs, die organische Körper übernehmen und als ihre eigenen nutzen, wie Su-Yong Shu oder die KIs aus “Ancillary Justice”.

Die Analyse zeigt auch, dass die generelle Darstellung von KIs im Laufe der Zeit komplexer und vielschichtiger geworden ist. KIs werden zunehmend als Subjekte mit eigenen Zielen und Bedürfnissen wahrgenommen und nicht mehr nur als einfache Werkzeuge im Dienste der Menschen. In neueren Werken finden sich vermehrt weibliche KIs, die oft mit komplexen und herausfordernden Rollen ausgestattet sind. Die stärkere Repräsentation weiblicher KIs zeigt eine zunehmende Sensibilisierung für Genderfragen in der Gesellschaft und möglicherweise den Wunsch der Autor:innen, die männliche Normativität in der Science-Fiction zu hinterfragen.

Wichtig bei diesen Erkenntnissen und den Geschichten dahinter ist vor allem das Bewusstsein über diese Verschiebungen sowie das Begreifen des Kontexts. Science Fiction wird oft von Entwickler:innen und Forscher:innen konsumiert, die wiederum ihre Vorstellungen von Künstlicher Intelligenz in ihre Werke einfließen lassen. Gleichzeitig lassen sich Autor:innen durch die aktuelle Forschung und Entwicklung beeinflussen. Diese häufigen Motive zu kennen und bewusst Gegenbeispiele zu lesen und wahrzunehmen, ist ein erster Schritt dahin, diese Stereotype in Zukunft zu vermeiden.

Larissa Haas

Larissa Haas studierte Politikwissenschaft und Data Science in Mannheim. Schon während des Studiums begann sie, über Bücher zu bloggen, und teilt auf larissa-auf-reisen.de vor allem Empfehlungen aus Science-Fiction und Fantasy sowie Einblicke in die Welt der KI. Besonders fasziniert sie die Frage, wie Technologie – von Künstlicher Intelligenz über Raumfahrt bis hin zu Zeitreisen – gesellschaftliche Entwicklungen prägt. Seit fünf Jahren arbeitet sie als Data Scientist und entwickelt die KIs von morgen.

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