Emily Hughes, 11.04.2024
Im Weltraum hört dich niemand schreien, heißt es. Doch dafür braucht es gar kein mörderisches Alien, denn dort kann dich alles töten, beim kleinsten Fehler. Emily Hughes erzählt uns, warum das Weltall der blanke Horror ist.
„Science Fiction und Horror sind Geschwister, Zwillinge, die stets versucht haben, sich der Welt als unterschiedlich voneinander zu präsentieren – und stets daran gescheitert sind.“ – W. Scott Poole, Dark Carnivals: Modern Horror and the Origins of American Empire
Solltest du dich einmal in der misslichen Lage wiederfinden, durch die Leere des Weltalls geschleudert zu werden: Nur keine Panik. Nicht weil du sicher bist – das bist du ganz und gar nicht. Aber: In Panik zu verfallen würde dir einfach nichts nützen.
Im besten Fall wirst du von ein bisschen Metall, Glas und sehr genau kalibrierten Lebenserhaltungssystemen vor dem Nichts da draußen geschützt. Vielleicht kommst du also heil aus der Sache raus! Aber nur ein lockerer Bolzen oder ein bisher nicht erkannter Softwarefehler – oder ein Besatzungsmitglied, das, entweder wegen Fahrlässigkeit oder Bösartigkeit oder einer Nacht mit wenig Schlaf, ein wichtiges Warnzeichen missachtet oder einen Schritt in den standardisierten Betriebsverfahren des Raumschiffes vergisst – und schon war‘s das. Oder, Gott bewahre!, der Bordcomputer erlangt ein Bewusstsein und schaltet die Lebenserhaltungssysteme in den Kryokammern aus …
Im schlimmsten Fall aber ist da einfach nichts zwischen dir und der Leere. Dir blieben dann vielleicht gerade einmal zehn Sekunden, um es zurück in eine Luftschleuse zu schaffen (viel Glück dabei!). Nach diesen zehn Sekunden verlierst du das Bewusstsein, was in dem Fall ein wahrer Segen ist, denn so bekommst du nicht mit, wie sich in deinem Blut unter qualvollen Schmerzen Stickstoffbläschen bilden oder wie deine Lunge durch den immensen Druckunterschied zerbirst. Nach ungefähr eineinhalb Minuten bist du tot.
Möglicherweise bist du aber auch auf dem Weg zu einer neuen Welt, einem anderen Planeten, der über eine Atmosphäre verfügt, die vielleicht, oder vielleicht auch nicht, kompatibel ist mit menschlichem Leben, oder dessen Flora und Fauna dir mehr oder weniger direkt den Tod bringen möchte. Selbst wenn du dort sicher ankommst, selbst wenn dein Raumschiff beim Atmosphäreneintritt nicht verglüht, selbst wenn dein Lebenserhaltungssystem hochmodern ist - dann was? Sofern du nicht vorhast, den Rest deines Lebens auf diesem Planeten zu verbringen (wie lange auch immer das sein mag), ist der Weltraum immer noch da und wartet auf dich.
Wartet auf das nächste Mal.
Es gibt nur relativ wenige Arten und Weisen, wie Menschen im Weltraum existieren und überleben können, und gleichzeitig tausende, die zu gar keinem guten Ende führen. Menschliches Versagen, Sabotage, menschenfeindliche Planeten, bösartige außerirdische Lebensformen – das alles kann schlimm sein, klar, aber die größte Bedrohung ist und bleibt das Medium selbst. Als Mensch ist man im Weltraum per Definition nicht in seinem Element. Als Mensch (und ich gehe einfach mal davon aus, dass du, liebe*r Lesende*r, einer bist) begibst du dich in eine Umgebung, in der du ohne erhebliche Anstrengungen und ohne ausgeklügelte Geräte nicht atmen kannst. Jede andere Kreatur, auf die du möglicherweise triffst, ist besser auf diese Umgebung eingestellt als du, was wiederum bedeutet, dass du hier nicht mehr unbedingt an der Spitze der Nahrungskette stehst. Du kannst nur darauf hoffen, dass diese anderen Kreaturen nicht hungrig sind.
Es ist aber so: Die Leere hasst dich nicht. Die Leere weiß nichts von dir, und es kümmert sie nicht, dass es dich gibt; ebenso wenig würde sie mitbekommen, wenn deine Existenz ein Ende fände, oder sich gar um dieses Ende scheren. Die Leere leert einfach so vor sich hin, bis zur Unendlichkeit. Und wenn man es herunterbricht, ist genau das die Grundprämisse von kosmischem Horror: Der Weltraum ist unbekannt, unergründlich, nicht an uns interessiert, und sein Ausmaß ist für uns Menschen unbegreiflich. So unbegreiflich, dass das Wissen über seine bloße Existenz zu spontanem Ego-Tod führen kann. Und jede Geschichte, die dort spielt, ist untrennbar mit dieser immensen Leere verwoben.
Wie also, erzählt man Weltraumgeschichten, in denen auch nicht das kleinste bisschen Horror vorkommt? Ganz einfach: gar nicht. Zugegebenermaßen hat man mir, als Horrorfanatikerin, schon öfter (völlig zurecht) unterstellt, dass ich behaupten würde, dass einfach alles Horror sei (womit ich aber eigentlich recht habe). Aber es ist wie bei der Matrix – wenn man einmal gesehen hat, wie allgegenwärtig Horrorelemente in Geschichten sind, die nicht auf unserem Planeten spielen, kann man das nur sehr schwer wieder ungesehen machen.